28.10.04
Immer öfter werde ich von Spielemagazinen auf offener Straße angerempelt, angepöbelt und dumm angemacht. »Hype ist geil!« schreien sie mir entgegen, als hätten Scooter persönlich das Layout und die Texte verbrochen. Sicher, nur diejenigen werden gekauft, die am lautesten schrei(b)en. Aber muss das alles so platt und sich so endlos wiederholend sein? Lobpreisen und werben kann man auch mit leisen Tönen.Was gab und gibt es nicht einen Wirbel um Spiele wie Doom 3, World of Warcraft, Half-Life 2, Fable oder Full Spectrum Warrior. Jedes Husten der Entwickler ist eine Nachricht wert. Seitenlange Previews, seitenlange Tests, Augenkrebs erregende Layouts, weißer Text auf schwarzem Grund, monatelanger DVD-Terror und und und. Herrje, da muss vielen Leuten in vielen Redaktionen furchtbar langweilig gewesen sein. Gerade Doom 3 wurde so lange zu Tode gepreviewt, dass andere Spiele selbst dann keine Verkaufschancen mehr hätten, wenn sie die besseren Wertungen bekämen. Vielleicht wird gerade irgendwo in einem tadschikischen Hinterhof ein grandioses neues Spielkonzept entwickelt, das der Spielewelt für immer verborgen bleiben wird, weil niemand darüber berichtet hat.
Ein leidiges Beispiel ist auch World of Warcraft. Das Spiel selbst mag ja durchaus fantastisch sein, aber muss ein Konkurrenzprodukt wie The Saga of Ryzom fast vollständig aus der Berichterstattung verschwinden? Gerade weil World of Warcraft einen großen Namen trägt, ist davon auszugehen, dass es sich auch ohne Hype glänzend verkaufen wird. The Saga of Ryzom hingegen könnte mehr Unterstützung seitens der Medien sicher vertragen. Absurderweise ist genau das Gegenteil der Fall. Und mal im Ernst: wäre von Doom 3 nicht ein Screenshot, nicht ein Preview, nicht ein Trailer veröffentlicht worden, es wäre dennoch wie blöde gekauft worden.
Besonders im PC-Sektor stagniert die Spieleentwicklung und die Berichterstattung derzeit gewaltig, jedenfalls kommt es mir so vor. Da hangelt man sich von Militärshooter zu Militärshooter, die ja – so gut sie auch sein mögen – immer eines bleiben werden: Militärshooter. Austauschbare Schauplätze, immer gleiche Missionen, kernige Männer mit kernigen Sprüchen, Soldatenehre, immer gleiche Superlative. Neu ist das alles nicht. Und schön auch nicht mehr.
Der Haken an der Sache: die Hersteller richten sich vor allem nach den Verkaufszahlen ihrer Spiele und setzen auf Altbewährtes, weil sich das eben immer noch besser verkauft als neuartige Konzepte. Etwas kurzsichtig wird dabei übersehen, dass in der Vergangenheit ja gerade innovative Titel wie Populous, Civilization oder Die Sims zu Bestsellern wurden. Dennoch ist das finanzielle Risiko hier höher als bei Fortsetzungen oder Filmumsetzungen, weswegen ich die Vorsicht der Entwickler verstehen, aber nicht völlig entschuldigen kann.
»Tja«, sagen wiederum die Spielemagazine, »unsere Leser wollen eben keine Innovation, die wollen das Übliche, deswegen berichten wir über das Übliche«. So einfach und naiv kann die Weltsicht sein. Grandiose Spiele wie Ico oder Rez haben tatsächlich hohe Wertungen erhalten und sind trotzdem kommerziell gefloppt. (Was – ganz nebenbei – mal wieder die relative Sinnlosigkeit von Wertungen und Benotungen zeigt.) Diese Spiele floppen aber, weil sie nicht ständig durch Previews oder Interviews im Gespräch sind, weil die Berichterstattung viel zu oberflächlich und langweilig bleibt. Weil die Berichterstatter selbst oft gar nicht kapieren, worüber sie eigentlich schreiben. Da werden ungewöhnliche Titel mit einem »ach, das ist so ein komisches Nischenprodukt, da schreiben wir maximal eine halbe Seite drüber und Schluss« abgefertigt.
Hypes können auch ins Gegenteil umschlagen. Nicht da draußen in den Spieleläden und Kaufhäusern vielleicht, aber bei vielen langjährigen Gamern. Die Erwartungen werden so hoch geschraubt, dass dann, wenn das Spiel endlich fertig ist, eine Enttäuschung nach der anderen folgt. Peter Molyneux (Black & White, Fable) könnte zu diesem Thema sicher viele persönliche Erfahrungen weitergeben, wenn er wollte.
Das Ende vom Lied: Schuld sind wir. Wir Konsumenten, wir Käufer, wir Gamer. Solange sich Tomb Raider 13 immer noch gut verkauft, solange wird es auch ein Tomb Raider 14 und 15 und 16 geben. Samt entsprechend nerviger Berichterstattung. Wenn das Interesse an wirklich neuartigen Spielen nicht nur in Fragebögen, sondern auch an der Ladentheke verhanden ist, dann werden vielleicht auch ein, zwei Seiten eines unendlich langen Hyper-Hyper-Testberichts für unbekanntere Spiele geopfert werden.
In diesem Sinne: schauen Sie sich einmal wunderbare Spiele wie Katamari Damacy oder das sagenhaft schöne Okami [hier ein Videoclip] an.
Oder schreien Sie wenigstens zurück, wenn eines dieser Heftchen Sie wieder so laut anbrüllt. In der Öffentlichkeit natürlich, versteht sich.
Matthias »Mo« Oborski spielt Computerspiele seit 20 Jahren.
Er schreibt, lebt und arbeitet auf ntropie.de.
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