Die Zähne des Grauens (Bücher / Autoren-Treffpunkt)

Die Zähne des Grauens (Bücher / Autoren-Treffpunkt)

Es war dunkel dort, dämmrig, die Ladenbeleuchtung schaffte es gerade einmal mit dem Schein der alten, verstaubten Lampen den Bereich um die Theke in ein unangenehmes, gelbliches Licht zu tauchen. Es summte und flackerte, als stünde die gewiss antike Glühbirne nun kurz vor dem Gnadentod.
Die anderen Bereiche des Ladens, die buntzusammengewürfelten Vitrinen, Schreibtische, Schränke und Regale, lagen im Schatten und allerlei absonderliches Gerümpel türmte sich in Jahrzehnte altem Staub, wie man ihn auch auf der Theke sah.
Gespenstisch... Ja das war das richtige Wort dafür dachte Sven als er sich unbehaglich in dem verlassen wirkenden Geschäft umblickte.
Der Name des „etwas anderen“ Antiquitätengeschäftes hatte seine Neugier erweckt, doch inzwischen war er nicht sicher, ob er nicht lieber wieder gehen sollte.
Staub wirbelte durch die muffige, feuchte Luft, es war kalt hier und er versenkte die Hände unbehaglich in seinen Hosentaschen, war hier überhaupt jemand? Man könnte es bezweifeln, aber schließlich war geöffnet... der schiefe Klang der Ladenglocke hallte ihm noch in den Ohren.
Stell dich nicht so an, schalt er sich stumm, du bist doch kein Feiglind der vor irgendeinem leeren Geschäft wegläuft. Stirnrunzelnd trottete er zum Tresen, begutachtete sich mit gesträubten Nackenhaaren einige Gläser mit Präparaten, ein Schweineherz dümpelte im Alkohol vor sich hin, daneben glänzten eingelegte Augen träge im Licht... Er schluckte und lenkte seine Aufmerksamkeit hastig auf etwas anderes....
Es war schwer zu sagen, was das Seltsamste im Angebot dieses Ladens war, ob nun die blutgetränkten Holzpfähle, original importiert aus Transsilvanien, die naturwissenschaftlichen Präparate, darunter eine menschliche Hand, Götzenbilder, Pentagramme, Mittelalterliche Waffen, und was nicht noch alles zu finden war.
Eine makabere Faszination überkam den jungen Mann, während er zugleich zutiefst angewidert war, und nur ja nichts berührte. Viele der Stücke waren mit kleinen Tafeln ausgestattet, die ihre Geschichte beschrieben, was da nicht alles zu lesen war.... Es jagte ihm mehr als einen Schauder eiskalt den Rücken hinab.
Er wusste nicht wie lange er sich dort bereits aufhielt, als ihm die kleine Vitrine direkt auf der Ladentheke ins Auge fiel. Merkwürdig, dass er sie bis dahin nicht bemerkt hatte, das trübe Licht schimmerte auf den blinden, spinnenwebenverklebten Scheiben. Mit einem merkwürdigen Gefühl trat er näher, es war wie eine stumme Warnung, doch er ignorierte es, beugte sich dicht über das Glas und versuchte mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen, was sich darin befand.
„Ah ich sehe, Sie haben das interessanteste Stück bereits gefunden...“ Sven musste sich beherrschen um nicht mit einem Satz hochzuschnellen und von der Geräuschquelle zurückzuspringen, sein Herz raste als die Worte so unverhofft die modrige Stille durchschnitten und das mit einer Stimme die direkt aus der finstersten Gruft widerzuhallen schien. Leise, rau, unangenehm, ging der Laut ihm regelrecht durch und durch, konnte einem das Blut in den andern gefrieren lassen. Der Kerl musste die perfekte Synchronstimme für jeden Horrorfilm sein... Sven hob den Blick und unterdrückte den Impuls nach Luft zu schnappen. Er könnte auch problemlos die Hauptrolle spielen, dachte Sven mit rasendem herzen, ganz ohne Make-up und Verkleidung....
Der Ladenbesitzer war klein, und vermutlich ohnehin das, was man als einen komischen Kauz bezeichnet hätte. Seine magere Gestalt steckte in einem viel zu kleinen, altmodischen Anzug mit hohem Kragen. Er hätte selbst eines seiner Ausstellungsstücke sein können mit der pergamentartigen Haut, die sich straff über die Knochen seines ausgemergelten Körpers spannte, ihm ein skelettartiges Aussehen verlieh. Bedeckt war diese ungesund wirkende Haut mit Pigmentflecken des Alters, weißen Haaren, Falten und Narben.... Der Kerl sah aus als wäre er einmal durch eine Fensterscheibe gefallen oder etwas in der Art. Seine Haltung war nach vorn gekrümmt als könnte er nicht richtig laufen und doch war er hinter dem Tresen wie aus dem Nichts erschienen, Sven hatte nicht das geringste gehört...
Er hob den Kopf und zwang sich dem Mann ins Gesicht zu sehen, „ich hab mich nur ein bisschen umgeschaut.“, murmelte er stockend und wünschte sich sehr, sehr weit weg von dort.
Das Gesicht war... Nun ganz einfach schief auf dem skelettartigen Kopf, die Nase bog sich zur Seite als wolle sie um die Ecke riechen, war buckelig wie ein Geierschnabel und mit einer prächtigen Warze ausgestattet. Von schwarzen Schatten umgeben lagen die Augen so tief in den Höhlen dass man ihre Farbe nicht mal mehr erahnen konnte und die schiefen Mundwinkel waren zu einem beängstigenden Lächeln, oder doch eher Totenkopfgrinsen verzogen, das eine Reihe ungepflegter, schiefer Zähne entblößte. Wie die Grabsteine auf einem alten Friedhof, dachte Sven schaudernd, wich einen Schritt zurück, als der Alte zur Vitrine trat und fast zärtlich mit der Hand über das staubige Glas streichelte.
„Das hier ist was ganz besonderes.“, tönte er mit seiner Friedhofsstimme, wie ein Großvater, der stolz von seinen Enkeln erzählte, „hat eine ganz besondere Geschichte.“, die langen dürren, ja klauenähnlichen Finger striffen über das schmierige Glas, in grausiger Faszination blickte Sven auf sie spitzen, gelb-grünen Fingernägel, ein flaues Gefühl legte sich über seinen Magen.
„Das andere“, sagte der Ladenbesitzer mit einer ausschweifenden Handbewegung durch sein Geschäft, „ist fast alles Schrott, für die Touristen, aber das hier....“ Warum erzähl er mir das?, fragte sich Sven innerlich, wünschte er hätte den Laden nicht betreten und doch verspürte er eine grausige Neugier. Es war das gleiche Gefühl, das einen Horrorfilme schauen ließ, die Sehnsucht nach dem Nervenkitzel.
Die Vitrine quietschte erbost als der Alte sie öffnete, die Glastür schwang zur Seite und Sven konnte nicht anders als sich fasziniert ein Stück zu nähern, er spähte in die Vitrine und... fühlte sich ziemlich verarscht. Ein Gebiss, ein eigentlich ganz normales Gebiss, es wirkte sogar ziemlich neue. Nur die Eckzähne waren angespitzt, und rotbraune Substanz auf den gelblichen Kronen sollte vermutlich Blut darstellen. Solche Accessoires wurden einem jedes Jahr an Fasching und Halloween hinterhergeworfen. Sven runzelte die Stirn. Der Alte schien seinen Unmut zu spüren und lachte leise, Sven erschauderte bei diesem Laut, der schaurig im Laden widerhallte.
„Sie sollten sich vom äußeren Schein nicht so leicht trügen lassen.“, wisperte der Alte und sein Totenkopfgrinsen wurde breiter, sein Zahnfleisch schimmerte in einem ungesunden dunkelviolett um die gelblichen Zähne, „Dieses Gebiss... Hat dreiundzwanzig Menschen auf dem Gewissen.“, er senkte die Stimme zu einem schaurigen Flüstern herab, „hat ihnen das Fleisch vom Körper gerissen, ihr Blut getrunken, die Innereien zerfetzt, und nichts übrig gelassen als blanke, zerbrochene Knochen, aus denen selbst das Mark herausgesogen worden war.“, flüsterte er. Sven erschauderte kalt, und schalt sich zugleich, so ein Schwachsinn, das ist ein stinknormales Plastikgebiss... Trotzdem zog es seinen Blick wie magisch zu den kupferfarbenen Flecken, immerhin war es ganz gut gemacht, aber Himmel wer wusste denn, wer das alles im Mund hatte?, dachte er angeekelt, wie viele ansteckende Krankheiten daran klebten? Noch näher ging er lieber nicht.
„Möchten sie seine Geschichte hören?“, fragte der Alte und wenn Sven sich nicht täuschte glomm etwas lauerndes in seinen Augen. Nein, hätte er am liebsten gesagt, ich will einfach nur hier weg, Sie sind genauso meschugge wie ihr ganzes Geschäft. Aber seine Kehle war wie zugeschnürt und er merkte wie er nickte. „Gut.“, sagte der Alte gedehnt, wirkte beunruhigend zufrieden und sein Blick heftete sich mit bedrohlicher Intensität auf Sven.
„Vor einem guten Jahr...“, begann er, seine Hand ruhte noch immer auf dem Glaskasten, „an Halloween, brach ein junger Mann von zu Hause auf, um zu der großen Party, einer Klassenkameradin zu gehen. Alle, die cool und angesagt waren, würden dort sein, und er war aufgeregt, denn eigentlich war er unbeliebt, wurde verspottet und gequält, dies war die erste Einladung in seinem Leben, und es musste perfekt werden. Seit Wochen hatte er an seinem Kostüm gearbeitet, bis alles zu seiner vollsten Zufriedenheit war, bis hin zum kleinsten Detail, wie den selbst angespitzten Vampirzähnen.“, Svens Blick wurde erneut magisch von besagtem Gebiss angezogen, das ihm trüben Lampenschein plötzlich eigentümlich zu Funkeln schien, doch der Alte sprach unbeirrt weiter. „Man kann kaum beschrieben wie sehr er sich freute, jetzt würde sicher alles anders und sie würden ihn akzeptieren... Doch es kam, wie es kommen musste, denn natürlich hatte die Einladung nie einen anderen Sinn gehabt, als ihn bloßzustellen und fertig zu machen. Jene Party wurde für ihn zur Hölle und seinen Peinigern brachte sie zuletzt den Tod.
Sie brachten ihn so in Zorn, von Schmerz und Verzweiflung übermannt, dass er in einem Handgemenge seinem Gegner die spitzen Zähne in den Arm rammte. Der Schmerzschrei hallte wohltuend in seinen Ohren, das warme Blut rann in seinen Mund, versetzte ihn in Rausch. Sie würden es bereuen, würden es alle bereuen, was sie ihm angetan hatten! Er biss wieder und wieder zu, riss seinem Opfer das Fleisch von den Knochen und ließ den Sterbenden dann liegen, um sich dem nächsten zu widmen. Über Hundert Leute waren an jenem Abend im Haus, 13 starben in einem grausigen Gemetzel, die anderen waren ein Leben lang gebrandmarkt viele von Bissspuren gezeichnet, bis heute...
Als es einem von ihnen gelang Hilfe zu rufen, war längst Panik ausgebrochen, das Haus lag in einem Waldgebiet fernab jedes Dorfes und als die Rettung endlich eintraf war es für viele zu spät. Man hatte keine Wahl als den Rasenden zu erschießen, und man sagt während sein Körper tot zusammenbrach, wären seine Augen im glühenden Rot der Hölle entflammt und sein wütender Geist sei in die Zähne eingefahren, die niemand mehr gänzlich vom Blut seiner Opfer zu reinigen vermochte...“
Mit dem Ende der Geschichte kehrte schlagartig eine angsteinflössende Stille ein, Sven war es als müsste man sein Herz bis auf die Straße hinaus hören so laut schlug es, er spürte dass er den Atem angehalten hatte, schnappte jetzt nach Luft.
Ich muss hier raus, war alles was er benommen denken konnte, vermutlich murmelte er dem Alten einen dank zu, erzählte irgendwas von wegen Bus, er erinnerte sich nicht daran, nur an den schaurigen Abschiedsgruß....
„Ein langes Leben... Und bis zum nächsten Mal.“, hatte der Alte in einem fast hämischen Ton mit seiner Geisterstimme geflüstert, und dann hatte Sven nach Atem ringend draußen auf der Strasse gestanden, die Worte noch in den Ohren.
Bestimmt nicht, war alles was er denken konnte, es gibt ganz bestimmt kein nächstes Mal. Und ohne auch nur zurückzublicken, ließ er das Geschäft weit, weit hinter sich.
Nach ein paar Tagen, hatte er das Geschehene mehr oder weniger vergessen, oder verdrängt ganz wie man es sehen wollte, doch zuvor hatte es ihm einige Alpträume beschert, durch die er schreiend mitten in der Nacht aus dem Schlaf gefahren war. Am Vorabend zu Halloween kehrte er müde aus der Uni nach Hause zurück, die Wohnung war still und leer, denn sein Mitbewohner verbrachte das Wochenende bei dessen Freundin. Aufseufzend ließ Sven sich schwer in den Fernsehsessel fallen, schnappte sich die Fernbedienung und erstarrte.
Eiskalt pulsierte ihm das Blut in den Adern er war wie gelähmt, starrte auf den Couchtisch aus hellem Holz, ein Sonderangebot von Ikea, wie fast jeder Einrichtungsgegenstand in der einfachen Studentenwohnung. Doch was da zwischen alten und neuen Fernsehzeitungen, leeren und halbvollen Flaschen, schmutzigem Geschirr und Essensverpackungen lag, direkt auf dem Holz, als hätte jemand eigens ein Stück der Tischplatte freigeräumt um den Gegenstand inmitten des Chaos zu drapieren, war ganz gewiss nicht von Ikea.
Mit leisem Tropfen rann Flüssigkeit auf den billigen Linoleumboden, sickerte langsam über die Tischkante. Tropf, tropf, ein fast hypnotischer Laut und wie hypnotisiert starrte Sven auf das Ding auf dem Tisch. Seien Kehle war zugeschnürt, das stete Tropfen und das regelmäßige Ticken der Uhr waren die einzigen Laute in dem halbdunklen Raum.
Das kann nicht sein..., war der einzige Gedanke, den sein erstarrtes Hirn hervorbringen konnte, „das ist unmöglich... Ein merkwürdiger Geruch stieg auf, eine Mischung aus dem modrigen Verwesungsgeruch eines Friedhofes und dem metallischen Kupfergeruch, der sich ihm altvertraut in den Mund legte, salzig und metallen, es drehte ihm fast den Magen um.
Im Dämmerlicht schimmernd, lag das Gebiss auf dem Tisch. Lag in einer Blutlache, die sich mit endloser Geduld über den Tisch breitete.
Ein paar Stunde später war er verzweifelt, verängstigt, am Ende seiner Kraft und hatte keine Gummihandschuhe mehr. Es war nicht schwierig gewesen das Blut wegzuwischen... Er hatte es sogar geschafft sich erst hinterher zu übergeben, ehe er alle Fenster aufriss um den Gestank auszulüften. Doch egal wie oft er das Gebiss in einen der schwarzen Müllsäcke stopfte und runter trug, noch ehe er vom Container zurück war, lag das grinsende Gebiss wieder auf dem Couchtisch. Ohne Blut immerhin, aber das war auch nur ein schwacher Trost.
Ich muss es in den Laden zurückbringen, dachte er, stülpte mit zitternden Händen einen alten Pizzakarton darüber rum es nicht ansehen zu müssen, gleich morgen früh...
Darüber wie es hergekommen war dachte er lieber nicht nach, oder wie es wiederkam... Wie schön wäre es, wenn er jetzt einfach nur Wahnvorstellungen hätte, oder hoffnungslos besoffen wäre, aber leider wusste er es besser, das war, ob er wollte oder nicht, Realität.#
Vielleicht spielt mir einfach jemand einen dummen Streich?, dachte er kläglich, er hatte keine Ahnung wie aber es wäre so schön eine rationale Erklärung dafür zu finden... Gebisse spazierten schließlich nicht einfach durch die Gegend... Normalerweise.
Doch, das musste einfach ein ganz besonders raffinierter Scherz sein, versteckte Kamera vielleicht, wer konnte das denn wissen? Wenn er es morgen zurückbrachte klärte sich bestimmt alles auf. Erleichtert ließ er sich aufs Sofa sinken, beschloss mit wiederhergestelltem Seelenfrieden etwas fernzusehen, denn schlafen wollte er nun doch nicht. Nicht, solange dieses Ding hier war.
Er hätte lieber ein Buch lesen sollen... Denn kaum hatte er den Nachrichtenkanal aufgerufen, erstarrte er erneut und sein Seelenfrieden verflüchtigte sich mit Überschallgeschwindigkeit.
„Die Opfer waren zwei Studenten, 23 und 21 Jahre alt, sie wurden in einer Seitengasse gefunden.“, sagte der Nachrichtensprecher mit ernster Miene, im Hintergrund war Blaulicht zu sehen. „Im Augenblick geht man davon aus, dass es ein Tier war, der Polizeiarzt ließ verlauten dass beide Leichen schlimm zugerichtet waren, das Fleisch wurde regelrecht von den Knochen gerissen, die Körper zerfetzt und es fanden sich zahlreiche Zahnabdrücke. Über weitere Spuren gibt die Polizei bisher keine Auskunft, die Ermittlungen laufen. Falls sie etwas davon wissen könnten melden sie sich bitte auf dem Zeugentelefon....“
Er hörte längst nicht mehr zu, zur Salzsäule erstarrt saß er auf der Ikea-Couch „junges Glück“ und starrte mit blinden Augen auf den flackernden Bildschirm. Mit erneut zitternder Hand, griff er blind nach der Branntweinflasche auf dem Tisch. Sein Gehirn weigerte sich, den logischen Schluss anzuerkennen, während das Gebräu brennend durch seine kehle in den Magen rann, angenehmen warmen Schwindel in ihm aufsteigen ließ.
Zufall... das war einfach nur Zufall, ein blöder, makaberer, widersinniger und total durchgeknallter Zufall. Er lachte Hysterisch, irgendein durchgeknallter Hund rannte durch die Gegend und zeriss ein paar Menschen, ok, aber das hatte nichts, nicht das allergeringste mit dem dämlichen Gebiss dort auf der Pizzaschachtel zu tun... Moment, auf der Schachtel?!
Fassungslos starrte er die grinsenden Zähne an, das Gebiss lag so, als wollte es Fernsehen. Rasch vertrieb er den Gedanken, krallte seine Hand um die Brandweinflasche. Ich habe es unter die Schachtel gelegt, war alles was er denken konnte.
Doch das Gebiss zeigte keine Regung, lag ganz unschuldig da, wie sollte es auch irgendwas anderes tun? Es war nur ein Ding ein toter Gegenstand, es konnte sich nicht bewegen... Oder? Vielleicht war es ferngesteuert... Das gehörte bestimmt alles zu diesem absurden Scherz... ganz bestimmt... Langsam erhob er sich, wich rückwärts vom Couchtisch zurück, die Brandweinflasche in der Hand.
Das ist verrückt... Das ist völlig verrückt, dachte er zitternd, vielleicht träumte er auch einfach nur? Vielleicht war das irgendein verdammter Traum, weil er abends zuviel getrunken hatte und morgen erwachte er und alles war nicht wahr? Bitte..., dachte er, lass es das sein, ich will auch nie wieder trinken... Er leerte die Brandweinflasche auf Ex und warf sie achtlos weg.
Geh ins Bett, sagte ihm das was von seinem Verstand übrig war, leg dich hin und morgen ist die Welt wieder in Ordnung...
Sie war es nicht. Und sie war es noch viel weniger, als er einen Müllsack in der Hand vor dem Laden stand, finstere Schwärze hinter den blinden Scheiben und ein Handgemaltes Schild an der vergitterten Tür.
„Wir machen Urlaub“, stand in schnörkeliger, altmodischer Handschrift darauf, „ein schrecklich-schönes Halloween“ Nein..., am liebsten wäre er auf dem Bürgersteig in die Knie gegangen und hätte aufgeheult, der sicherste Weg ins Irrenhaus, vielleicht war er in der Gummizelle sicher vor diesem Ding? Er wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen...
Ich könnte es wegwerfen... Aber wenn es dann wieder zu Hause auf mich wartet?, dachte er stumm, blickte auf die Autos die über die Schnellstraße rauschten, über die Brücke, unten rauschte der Fluss. Aber vielleicht ist eine Mülltonne einfach nicht genug?, langsam setzte er sich in Bewegung, vielleicht muss ich es gründlicher loswerden... Oder gleich zerstören... Die Hand mit dem Müllbeutel zitterte, er trat an das Geländer und blickte hinab in den Fluss, wie in Trance hob er den Arm.
Das musste doch einfach funktionieren... Wenn er es in die reißenden Fluten warf landete es sonst wo oder wurde von irgendeiner Schiffsschraube zermalmt. Ja, dachte er mit neuer Euphorie, sollen sich die Fische damit rumärgern. Mit Schwung, warf er den Beutel ins Wasser, von einem unbändigen Gefühl der Freude durchströmt. Frei! Der Alptraum war zuende!
Er konnte nicht anders als blöd zu grinsen als er sich abwandte, sein Schritt war leicht und beschwingt, als er sich vom Fluss entfernte, beinahe hätte er auch noch ein Liedchen gepfiffen, es lebe die Umweltverschmutzung!
Es war ein guter Tag... Ein richtig guter Tag, er ging zur Uni und kein Gebiss weit und breit, ging in den Supermarkt und kein Zahnersatz lauerte in den Regalen, nein, der war inzwischen sicher schon am Meeresgrund.
Aufatmend kam er nach Hause und sah das Wasser im Flur stehen. Er unterdrückte einen Fluch, stellte die Einkäufe auf die Garderobe und wetzte ins Bad. Wasser schoss aus dem Hahn in die Badewanne, lief wie ein Wasserfall über deren Rand, erstarrt blieb er stehen, blickte auf die silbrigen Fische die darin schwammen, und dann zum Wannenrand. Er schrie gellend auf, taumelte zurück. Dort saß das Gebiss, einen zermatschten Fisch zwischen die grinsenden Zähne geklemmt.
Nein... Neinneinnein, das darf nicht sein..., Er war wie vor den Kopf geschlagen, zu kaum einem klaren Gedanken fähig, der Fernsehen lief noch immer, er hatte ihn auszuschalten vergessen... oder? Wieder sah er das ernste Gesicht des Nachrichtensprechers. Nein, dachte er erneut, fühlte sich schwindelig.
„..kommen allmählich Zweifel daran auf, dass es sich um ein Tier handelt, die Matrosen wurden an Bord des Schiffes getötet, während es sich auf dem Wasser befand und die Untersuchung der Bissspuren ergab keine Übereinstimmung mit einer bekannten Tierart, sondern vielmehr mit menschlichen Zähnen. Allerdings scheinen diese präpariert, es wird von einem „Vampirgebiss“ gesprochen... Aufgrund der hohen Opferzahl schaltet sich jetzt...“
„Aufhören!“, keuchte er wimmernd, „aufhören!“ er presste sich die Hand gegen die Schläfen, das war nicht wahr, konnte nicht wahr sein, niemals...
„Hör auf damit!“, Schrie er den Fernseher an. „das ist doch verrückt!“ Ein Schluchzen stieg in ihm auf, Panik schlug über ihm zusammen, er musste es loswerden, er musste dieses Ding unbedingt zerstören, schnell, bevor es auch über ihn herfiel...
Es reichte nicht es wegzuwerfen er musste es zerstören Zermalmen... Musste es in seine Bestandteile zerlegen... Mit zugeschnürter Kehle wankte er zum Bad, stellte mit zitternder Hand das Wasser ab und ließ das Gebiss nicht aus den Augen, dass da auf dem Wannenrand lauerte.
„Du hältst dich für ganz besonders schlau nicht wahr?“, fragte er es heiser, der Gestank nach zermatschtem Fisch verursachte ihm Übelkeit, „bist du aber nicht du billig Implantat!“ Seine Stimme stand kurz vor dem Überschlag, er schluckte, manövrierte einmal mehr das Gebiss in eine Tüte, diesmal unter zu Hilfenahme einer Zange, das Blut im Wasser konnte ihn nicht mal mehr allzu sehr erschüttern als er es bemerkte.
Hastigen Schrittes eilte er die Straße entlang, überlegte verbissen, was er tun konnte, wie konnte er dieses Ding am effektivsten zerstören? So dass am besten nur noch Plastikstaub davon übrig blieb...
Es schien keinen Ausweg zu geben, er hatte es überfahren, mit einer Axt zerhackt, hatte es in einer chemischen Fabrik in einen Kessel mit Fluorsäure geschmissen, in eine Schlucht gestürzt... Es kehrte immer wieder zuverlässig zu ihm zurück, und mit ihm die Nachricht von neuen Opfern.
Sven war am Ende seiner Kraft und am Ende seines Verstandes und er wusste es, diese hämisch grinsenden Zähne trieben ihn in den Wahnsinn, längst stapelten sich Bücher über Vampirismus und dergleichen, es musste doch einen Weg geben dieses Ding loszuwerden... Es musste einfach!
Gegen Mitternacht raffte er sich zu einem letzten Versuch auf, auch wenn er eigentlich keinerlei Hoffnung mehr hatte. Er fuhr mit dem Nachtbus zu einem leeren Grundstück, weit entfernt von seiner Wohnung. Es waren doch „Vampirzähne“ oder? Also spießte er einen hastig geschnitzten Pflock durch das Gebiss, vergrub es in einer Kiste mit Knoblauch tief unter einem Kreuz in der Erde.
Im Morgengrauen kehrte er zurück, voller Erde, ausgemergelt und hager durch die Geschehnisse, Selbst einem Gespenst gleichend. Den Erdverschmierten Spaten über der Schulter. Er brachte ihn wieder in den Kelle rund ging nach oben, lauschte an der Wohnungstür. Alles war still. Zögernd betrat der den Flur, schaltete hastig das Licht ein, nichts.
Mit klopfendem Herzen, trockenem Mund und erstorbener Hoffnung, betrat er die Küche, auch hier nichts, die Arbeitsplatte glänzte sauber im Licht. Er atmete etwas schneller, sollte es am Ende tatsächlich?
Nein, wies er sich zurecht, freu dich bloß nicht wieder zu früh. Das Bad war leer, auch in seinem Schlafzimmer keine Spür von den Zähnen, in dem seines Mitbewohners genauso wenig. Vor der Tür zum Wohnzimmer zögerte er, sollte er wirklich?
Der Couchtisch war sein Lieblingsplatz... Sven schluckte, seine Hand umkrampfte die Türklinke. Er zwang sich tief durchzuatmen, Mut zusammeln. Riss die Tür auf und schlug mit der Hand auf den Lichtschalter, dass seine Haut brannte.
Die Deckenlampe flammte auf, warf ihr grelles Neonlicht auf das heillose Chaos. Sven sank in die Knie, ein Aufschrei bahnte sich Weg durch seine Kehle.
„Jaaaaaa!“, er konnte es kaum glauben, seine Augen brannten gar von Freudentränen, das altvertraute Chaos alles wie es sein sollte, kein Gebiss und der Fernseher war aus. Er wäre fast vor Freude durchs Zimmer getanzt, sie waren weg, weit weg von ihm!
„Hab ich dich besiegt du Miststück!“, triumphierte er, und erst nach Stunden lag er aus dem Freudenrausch ernüchtert auf der Couch. Konnte es nicht immer noch wiederkommen? Oder... was noch schlimmer war, sich hier irgendwo verstecken? Das hatte es noch nie getan aber wer wusste was in diesen Zähnen vor sich ging?
Er blickte zum Couchtisch. Ich sollte aufräumen, dachte er, schon allein um sich zu beschäftigen, ehe sich seine Gedanken völlig selbstständig machten. Die leeren Schachteln und den Müll zu sortieren, die Flaschen wegzuräumen, lenkte ihn immerhin ab von der bangen Angst, die ihm die Brust zusammendrückte.
Dabei fand er den Zettel. Es war ein altes Stück vergilbtes Papier, er wollte es schon wegwerfen als er innehielt. In schwarzer, ausgeblichener Tinte, war es mit einer altmodischen, schnörkeligen Handschrift bedeckt, ein ungutes Gefühl, machte sich in seiner Magengrube breit.
Langsam, den Zettel in der Hand ließ er sich aufs Sofa sinken, starrte blicklos auf die Buchstaben und las ohne zu begreifen, vergas alles um sich herum während eiskalte Angst langsam in seiner Brust empor kroch.
Sein Denken war gelähmt, er starrte auf die Schrift und war zu mehr nicht fähig.

Sehr geehrter Herr,
Ich möchte Sie wissen lassen, wie sehr ich Ihr rasches verschwinden bedauere, doch vermutlich habe ich Sie mit meiner Geschichte ein wenig erschreckt – verzeihen sie einem alten Mann. Tatsache ist, dass die Erzählung über das Gebiss noch nicht an ihrem Ende angelangt war., Sie umfasste nur 13 der bislang 23 Opfer und...

47, dachte er, nicht mehr 23. Und das war etwas, dass ihm jetzt erst bewusst wurde. So viele Menschen... Er begann unkontrolliert zu zittern, so viele Menschen hatten den Tod gefunden, durch dieses... Seine Hand krampfte sich um das Blatt, er zwang sich nicht weiter zu denken, richtete den Blick wieder auf das Blatt, obgleich er es eigentlich in den Mülleimer werfen und alles vergessen wollte.

Und obgleich ich nicht sicher bin, es mir jedoch schien, als sei diese Erzählung in Ihrem Interesse, gedenke ich sie ihnen nun hier fortzuführen.

Woher kannte er seine Adresse? Hatte er ihm das Gebiss geschickt? Die Angst würgte Sven, kurz verschwammen die Buchstaben vor seinen Augen, doch er zwang sich erneut dem Text weiterzufolgen.

Nach den Geschehnissen, von denen ich Ihnen an besagtem Tag berichtete, durchlief das Gebiss eine Reihe von Besitzern, ehe es in meinem Laden landete.
Jedes Mal war im Verlauf von spätestens 13 Tagen besagter Besitzer tot.
Zuvor jedoch starben Menschen in seiner Umgebung, solche die ihm nahe waren ebenso wie solche, die er nicht einmal kannte.
Sobald das Gebiss alleine ist beginnt der Geist darin sich zu regen, dem Blutrausch zu verfallen, und mit dem ersten Opfer beginnen die Menschen es loswerden zu wollen. Jedes Mal wird es zurückkehren, doch nicht ohne an dem Ort, der sein Grab werden sollte Rache zu üben und zuletzt wird es Rache an dem üben der ihm Unrecht tut indem er es loswerden will.

Schwindel überkam ihn, die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen und das Blatt entglitt seiner Hand. Er bemerkte nicht wie es zu Boden fiel, in eine Lache aus Alkohol, wo ihm eine Bierflasche umgekippt war. Langsam breiteten sich schwarze Tintenfäden wie ein Spinnennetz über das Papier, verwischten den ungelesenen Rest des Textes und eben darum nahmen die Dinge ihren Lauf...
Er wusste nicht wie lange er so dagesessen hatte, irgendwann kam wieder leben in ihn. „Nicht ohne an dem Ort, der sein Grab werden sollte Rache zu üben.“, murmelte er tonlos die Worte hallten in seinem leeren Kopf, das Gelände direkt daneben... Sein Herz setzte aus, daneben stand ein staatliches Kinderheim. Kaltes Entsetzen erfasste ihn, er musste dorthin unbedingt! Er musste es aufhalten, ehe es zu spät war...
So schnell er konnte rannte er nach unten, tausend Gedanken schossen ihm durch seinen Kopf. Unten an der Straße stand der alte Opel Corsa seiner Nachbarin, er verschwendete jetzt keinen Gedanken an die blöde Kuh aber das Auto... Zu Fuß würde er es sicher nicht schaffen und normalerweise...
Er stürzte zur Tür der Rostlaube. Ja! Sie war offen!
Hastig glitt er auf den Fahrersitz, er hatte zwar keinen Führerschein aber so schwer war Autofahren schließlich nicht und wie man so eine Kiste kurzschloss, konnte man schließlich im Internet nachlesen.
So einfach war es nun leider nicht, und es kostete ihn so manchen Fluch, ehe er sich in seiner Hast zurechtgefunden hatte. Vor allem machte es Lärm und als er gerade endlich davonbrauste, kam die alte Schrulle aus dem Haus gerannt. Lockenwickler im Haar, die Quarkmaske auf dem Gesicht und einen Rosa Bademantel um ihren fetten Körper gewickelt bot sie mit ihren Plüschhauslatschen eine genaue Entsprechung des Klischees. Schrie ihm fäusteschüttelnd mit der kreischenden Raucherstimme Drohungen nach und musste dabei aufpassen, dass der Bademantelgürtel sich nicht löste.
Normalerweise hätte ihn dieses Bild gewiss amüsiert doch im Augenblick...
Er schaffte es ohne größeren Unfall anzukommen, blieb mit quietschenden Bremsen stehen, fiel halb auf dem Wagen, der jetzt noch die eine oder andere Schramme mehr aufwies und wetzte über den schlammigen Boden.
Er sah es schon aus gewisser Entfernung und ihm wurde innerlich eiskalt, das Loch war aufgewühlt, das Kreuz umgestürzt und penetranter Knoblauchgestank hing in der Luft.
Er konnte kaum schlucken, drehte sich langsam um und blickte zu dem großen Haus auf der anderen Straßenseite, die bunten Fensterbilder verschwammen vor seinen Augen zu formlosen Flecken, während er langsam in diese Richtung stolperte, seine Bewegungen die eines Zombies.
Vielleicht kam er ja noch rechtzeitig, vielleicht war es noch gar nicht zu spät... Doch er hatte keine Hoffnung. Dennoch heulte er innerlich auf, als er die eingeschlagene Tür sah und nach dem ersten Schritt den vertrauten penetranten Metallgeruch wahrnahm. Er würgte, aber dennoch vielleicht war es noch nicht vorbei und er musste das Gebiss finden musste es weg bringen, weit weg von hier... Er musste in den Laden zurück wenn ihm jemand helfen konnte dann dieser Alte, im Notfall brach er eben ein, er musste herausfinden wo der Kerl hin war. Langsam tastete er sich vor, es war totenstill im Gebäude, die Atmosphäre bedrückend, es fehlte nur noch die Untermalung mit irgendeiner dramatischen, unheimlichen Musik...
Sven zwang sich ruhig durch den Mund zu Atmen, allmählich vernahm er ein leises Tropfen.
Nein..., dachte er mit zugeschnürter Kehle, doch niemand hatte ein Einsehen. Und als er den ersten kleinen Körper fand stiegen ihm die Tränen in die Augen, Verzweiflung, Hilflosigkeit, Angst und ganz plötzlich eine übersprudelnde, unbezähmbare Wut. Seien Schritt wurden schneller, fester, vorbei an den kleinen Leichen, die wie Puppen wirkten, von einem unachtsamen Kind beim Spielen zerbrochen, achtlos fortgeworfen doch es waren ja selbst noch Kinder, Kinder, die nun niemals erwachsne werden durften, denen man die Zukunft geraubt hatte.
Es waren schlimme Bilder, er würde es vermutlich niemals mehr vergessen, doch sie gaben seiner Wut die Kraft sich über seine Angst zu erheben.
Tiefe Bisswunden im zarten Fleisch, entblößte, zerfetzte Organe, zertrümmerte Knochen, Muskeln, Sehnen, Nerven, zerrissen zerfetzt, zermalmt bis zur Unkenntlichkeit.
Als er nach oben gelangte, hörte er ein reißendes Geräusch, es jagte ihm einen eiskalten Schauder durch Mark und Bein, doch er zwang sich weiterzugehen. Ein leises Wimmern, Knirschen, Krachen und Plätschern, Geräusche wie zerreißender Stoff.
Sein Schritt beschleunigte sich. Der Raum war wohl der Esssaal, Tische und Stühle waren umgestürzt, die bunte Dekoration, die den Raum aufhellen sollte, schwamm in Blut, war mit Körpersegmenten bespritzt. In einer Ecke kauerte ein kleines Mädchen unter dem Tisch, vielleicht sieben, starrte angsterfüllt auf das Gebiss, das blutverschmiert vor ihm in der Luft schwebte, langsam auf und zu klappte.
Die blauen Augen des Kindes waren geweitet vor Angst, noch schien es unverletzt... Sven stürzte vor, sprang über einen der Tische, schlug mit beiden Schienbeinen gegen die Kante und Tränen des Schmerzes schossen ihm in die Augen, doch die Wut war stärker. Als die schwebenden Zähne losschnellten, prallten sie gegen die Sitzfläche eines zertrümmerten Stuhles. Sven schlug mit aller Kraft, beim Baseball wäre das unter Garantie ein Homerun geworden.
Das Gebiss klatschte mit einem hässlichen Laut gegen die Wand, schnappte zusammen wie eine Bärenfalle, doch fuhr wieder hoch, es schien als würde es Sven anstarren, seien Haltung spannte sich, abwarten schwang er das Holzstück.
„Komm doch!“, knurrte er, „komm nur du verfluchtes Plastikimplantat! Ich lasse das, verdammt noch mal, nicht mehr zu!“, sein Körper bebte vor Zorn, er würde die Vernichtung nicht mehr fortschreiten lassen, „keiner dieser Menschen hat dir was getan! Kein Einziger! Ich war das hörst du? ICH! Ich habe die weggeschmissen, ersäuft, zertrümmert, vergraben... Also komm her!“, er war wie im Rausch, rote Fetzen zogen sich durch sein Sichtfeld, „komm her, damit ich dir endgültig den Garaus machen kann!“
klappernd hielten die Zähne inne, fast so als könnten sie nicht begreifen was er tat, er packte einen weiteren Stuhl, schleuderte ihn auf das schwebende Plastik, das nun aus seiner starre erwachte, auswich und auf ihn zugeschossen kam.
Es umtanzte ihn, trickste ihn aus, während er verzweifelt nach ihm schlug, die Einrichtung noch mehr zertrümmerte. Aus den Augenwinkeln sah er es plötzlich unter den Tisch schnellen, hörte das kleine Mädchen aufschreien und ein grauenhaftes Geheul stieg aus seiner Kehle hervor, als das Gebiss der Kleinen niederträchtig die Kehle herausriss. Mit aller Macht schlug er drauf, das Gebiss krachte zu Boden, ehe es reagieren konnte, hatte er draufgetreten, drückte es keuchend runter, wo es sich nur noch hilflos schnappend unter seinem Stiefel winden konnte.
„Du Miststück!“, brüllte er, „du gottverdammtes Miststück!“ Er war nicht mehr fähig zu denken, fühlte sich innerlich wie tot, zugleich beherrscht von Wut und Verzweiflung rannen ihm Tränen übers Gesicht. Das Gebiss gab seine Gegenwehr auf.
„Das wirst du bereuen... du wirst es bereuen hörst du?“, mit der bloßen Hand packte er die Zähne, presste sie mit aller Gewalt zusammen, dass das Plastik ächzte.
Wenig später raste er mit dem geklauten Auto über den Highway, blutverschmiert das Gebiss mit Klebeband geknebelt auf dem Beifahrersitz, während die Umgebung in Höllentempo vorbeiflog. Er wusste wohin er wollte, nicht mal dieses Ding würde es überleben, wenn er es in den Hochofen der Müllverbrennungslage sperrte, und er würde zusehen wie es verkohlte, wie es schmolz, würde jeden winzigen Augenblick genießen, das Gebiss sterben zu sehen, schien ihm der einzige Zweck in seinem Leben.
Er hoffte inständig dass es fähig war Schmerz zu fühlen, er wollte es leiden sehen, wollte es genießen, erfüllt von Wut und Rachsucht. Die Scheinwerfer schnitten sich grell durch die Dunkelheit, die Tränen waren auf seinen blutigen Wangen getrocknet.
Vermutlich war es Schicksal. Zu spät sah er die Silhouette über die Straße huschen, trat voll auf die Bremse, der Corsa ächzte, die Reifen qualmten und das rostige Vehikel begann zu schleudern, brach aus. Sven schrie auf, das Gebiss flog durch den Wagen und er krallte sich mit aller Macht am Lenkrad fest, dass seine Knöchel weiß hervor traten.
Der Wagen überschlug sich, Metall kreischte und der Schrei in seinen Ohren riss nicht ab, doch realisierte er dabei nicht, dass es sein eigener war. Das Auto brach auseinander, der Rost konnte die Teile nicht mehr zusammenhalten und als das verformte Blech zum liegen kam, war Sven kaum fähig sich zu bewegen. Er roch Benzingeruch und in seinem Kopf schrillte vernehmlich eine Alarmglocke, er wusste instinktiv, dass er von dem Schrotthaufen wegmusste. Trotz aller Benommenheit, begann er verzweifelt an seinem Gurt zu zerren, doch der löste sich keinen Millimeter. Galle stieg ihm in die Kehle, Todesangst wallte auf, als er eine Bewegung im Dunkel bemerkte, sein Herz setzte aus, als er weiße Zähne in der Dunkelheit glänzen sah, nochmals riss er am Gurt, doch es war vergebens, wenig später explodierte etwa 20 Meter unterhalb des Highways ein alter Opel Corsa, die Rettungskräfte rückten an.
Noch immer taten ihm die Knochen weh, als er das Krankenhaus verlassen durfte, und er war zugleich erleichtert und verwirrt. Das Gebiss war fort es war gegangen das wusste er, auch wenn er es nicht erklären konnte. Trotzdem begriff er, noch weniger warum es ihm das Leben gerettet hatte und er war auch nicht sicher ob dieser Umstand ihm gefiel. Ein Subjekt, nur existent um zu töten, hatte den Gurt durchgebissen und ihn vor der Explosion aus dem Auto gezerrt. Warum? Doch er würde seine Erklärung schon noch erhalten...
Er begriff es einfach nicht, denn es machte keinerlei Sinn. Dennoch war er froh, dass der Alptraum endlich zu Ende schien, und die Verfahren die noch auf ihn zukommen würden scherten ihn wenig, die Sache mit dem Auto klärte sich schon noch und er wusste dass er nicht der Mörder war. Auch wenn er das Blut an seinen Sachen nicht erklären konnte, nicht in Wahrheit, er wollte nicht zu guter Letzt noch in der Klapse landen.
Am besten sagte er, er hätte einfach eine Spritztour unternommen, vor dem heim das Auto abgewürgt und nicht wieder angekriegt, also war er reingegangen um Hilfe zu holen, als er die Toten sah, war er durchgedreht und weggerast so kam es zu dem Unfall...
Ja das war gut und schließlich hatte er noch etwas Zeit, die Geschichte auszubauen. Er schloss die Wohnungstür auf, freute sich schon auf das dümmliche, so herrlich normale und alltägliche, Grinsen seines Mitbewohners Alex.
Es kam einmal mehr anders als gedacht. Die Wohnung wirkte still, vielleicht war Alex gar nicht dort? Sven hängte seine Jacke an die Garderobe, seltsam war das schon... Langsam schlenderte er zum Wohnzimmer, Küche Schlafzimmer... Kein Alex. Unterwegs öffnete Sven die Fenster noch immer hatte er diesen ätzenden Blutgeruch in der Nase, hoffentlich ließ das bald nach... Gerade jetzt war er unangenehm stark.
Er spitzte die Ohren, war da nicht ein Tropfen? Natürlich Alex musste im Bad sein. Ruhig schlenderte Sven dorthin klopfte an die Tür und als keine Antwort kam öffnete er sie, er wollte jetzt einfach einen vertrauten Menschen sehen.
Nur so hatte er sich das vermutlich nicht vorgestellt...
Gewalt war sicher ein gutes Wort es zu beschrieben, aber letztlich doch ein viel zu schwacher Ausdruck, Sven stand völlig starr in der Tür starrte in den weiß gekachelten Raum, ihm war heiß und kalt zugleich. Er betrachtete die blutigen Fetzen die einmal sein... Nun ja Kumpel gewesen waren. Der Körper lag entblößt auf dem Boden der Dusche zusammengesunken, vermutlich im Kampf war der Schlauch aus der Wand gerissen worden, Wasser rann dort heraus spülte langsam das blut und die dickflüssige Menschenpampe in den längst verstopften Abfluss.
Gr0ße Löcher klafften in der Haut, entblößten nacktes Fleisch, Sehnen, Muskeln nerven, teilweise zertrümmerte Knochen. Es blutete nicht mehr, dazu war es zu alt, doch es stank bestialisch. Fliegen saßen auf dem Körper, gelblich weiße Maden krochen langsam über das zerstörte Fleisch. Der Kopf lag wie ein achtlos fortgeworfenes Spielzeug in der blutverschmierten Badewanne, der Schädel zertrümmert, rosa-graue Hirnmasse quoll heraus war an der Luft eingetrocknet, und über der Wanne prangte eine ungelenke Schrift.
„I#ll always love you“, stand in langsam herabrinnenden Buchstaben dort, als ob ein Kind es geschrieben hätte, ohne Beherrschung über seinen Stift. Alex’ abgetrennter Kopf, mit den deutlichen Zahnspuren an den entsprechenden Stellen, musste gegen die Fliesen gepresst worden sein um den Satz zu schreiben, Sven las es, und ein markerschütternder Schrei hallte in dem Mehrfamilienhaus wider.

ENDE
Also, erstens: Eine originelle Idee, mal nicht das typische "Drei Teenager allein im Waldhaus ohne Strom mit Massenmörder" als Thema für eine Horror/Splatter- Kurzgeschichte zu nehmen. Auch wenn es eine irgendwie kindlich erscheinende Idee ist. Das versteh jetzt bitte nicht falsch, aber dieses "Die Dinge leben" find ich eher kindlich.
Dann kommen wir zur Umsetzung:

Es ist viel altbekanntes dabei, wie das wegwerfen und wiederkommen usw.
Dazu gesellen sich dann noch mächtig viel Blut, Tod und Gewalt, der für Horrorgeschichten typische Fluch, der Komische Kauz, das gruselige Geschäft (In vielen Geschichten durch Schlösser, Keller oder Dachböden ersetzt) und der "Held", der über dem Problem zerbricht. Alo um es kurz zu sagen: Vom Verlauf und der Umsetzung der Thematik eher im Mittelmaß, da die Elemente meiner Meinung nach etwas überholt sind.
Allerdings gefallen mir einige deiner Formulierungen, Vergleiche usw. sehr gut, besonders der Anfang gefällt mir sehr. Zum Ende hin flacht die Geschichte schon sehr ab.
Zudem finde ich das Ende etwas komisch für diese Geschichte. Was haben die Worte "I'll always love you" mit der ganzen Thematik und dem vorhergegangenen Verlauf der GEschichte zu tun?
Naja ich fürchte die Geschichte ist ziemlich mit Insidern belastet, sie war für eine Freundin. Deshalb ist sie etwas unlogisch aber vielen Dank für die Kritik, ich wollte vor allem etwas über die Schreibmethodik wissen, eine fünf Sterne Handlung ist es ja sicher nicht^^°
Aber es freut mich, dass z.B. die Vergleiche gut ankommen^^
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