SPIEGEL-Artikel zum Iran und zur deutschen Linken (Gesellschaft)

SPIEGEL-Artikel zum Iran und zur deutschen Linken (Gesellschaft)

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,632499,00.html|Klick: Ein Slibowitz auf Ahmadinedschad

Reinhard Mohr analysiert die Liebe der deutschen Linken zum iranischen Diktator und wie sehr man sich in dieser Beziehung mit der extremen Rechten einig ist.

Hier ist übrigens der Blog von Jürgen Elsässer.

Ich habe mich früher mal als ziemlich weit links angesehen. Das hat sich in letzter Zeit ziemlich geändert. "Religion ist Opium für's Volk" gilt nur für das Christentum und vielleicht ab und zu das Judentum - andere Religionen, allen voran der Islam, sind von vorneherein ganz toll. Imperialistische Kriege* findet man ganz scheiße und "Soldaten sind Mörder". Klar, ich bin auch kein Freund der Armee oder des Afghanistaneinsatzes aber ich halte die Taliban deshalb nicht für edle Wilde und rechtfertige die Erschießung oder Steinigung von Frauen oder das Aufknüpfen von Schwulen als muslimische Folklore. Das ist Rechtfertigung barbarischer Zustände getarnt als Toleranz (und zwar "Mir ist das alles scheißegal"-Toleranz).

Ich finde den Zustand der deutschen Linken zur Zeit desolat und bin schwer enttäuscht.

*imperialistische Kriege können übrigens nur westliche Staaten führen: für zum Beispiel afrikanische Länder ist es schlicht unmöglich einen Krieg zu führen, den man in der deutschen Linken als imperialistisch ansehen würde. Es sei denn natürlich, er würde im Auftrag eines westlichen Landes geführt.
"'Religion ist Opium für's Volk' gilt nur für das Christentum und vielleicht ab und zu das Judentum - andere Religionen, allen voran der Islam, sind von vorneherein ganz toll."

Dieser Satz war von Marx ganz allgemein gemeint, und gilt darum auch für alle Religionen. Wer das anders sieht, der ist nicht links, sondern im günstigsten Falle ein Opportunist.

"imperialistische Kriege können übrigens nur westliche Staaten führen: für zum Beispiel afrikanische Länder ist es schlicht unmöglich einen Krieg zu führen, den man in der deutschen Linken als imperialistisch ansehen würde."

Auch das ist kein wirklich linker Standpunkt. Es ist zum Beispiel so, dass die Sowjetunion nach ihrer Entartung in den 50er Jahren ein durch und durch imperialistischer Staat war, und dass sie auch imperialistische Kriege geführt hat. Wieder gilt: Wer das nicht sieht oder nicht sehen will, der kann sich nicht als links bezeichnen, denn der linke Antiimperialismus gilt universell.

"Reinhard Mohr analysiert die Liebe der deutschen Linken zum iranischen Diktator und wie sehr man sich in dieser Beziehung mit der extremen Rechten einig ist."

Diese Liebe zum iranischen Diktator ist menschenverachtend und zutiefst opportunistisch - ich würde sogar behaupten, das ist ein revisionistischer Standpunkt. Wie die wahre Linke zu diesem Thema steht, wird hier ersichtlich:

http://www.rf-news.de/2009/kw26/iran-massenrevolte-fuer-buergerlich-demokratische-freiheiten-gegen-das-faschistische-regime-geht-weiter/

http://www.tudehpartyiran.org/german_file/TUDEH_INFO59.pdf

PS: Habe mir den Blog von diesem Elsässer grade durchgelesen und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Lenin, der einst gegen das Zarenregime gekämpft hat, würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, wie hier von "Linken" der Freiheitskampf des iranischen Volkes verleumdet wird ...
Politische oder religiöse Ausrichtungen haben bei Menschenrechten nichts verloren. Daher sind Analysen und Kommentare zur Beziehung zwischen Christen, Juden und Moslems, Linken, Rechten und Verbrechern nicht angebracht.
@Bruce Wayne
Den Beitrag musst du mir jetzt aber erklären.

@Sid Vicious
"die wahre Linke"? Dann gibt's in Deutschland vermutlich kaum jemanden, der wirklich links ist...

Die Sowjetunion ist nicht erst in den 1950ern 'entartet'. Stalin kam schon wesentlich eher an die Macht. Aber darum geht's ja hier nicht.
Ob jemand Links, Rechts, Moslem oder Christ ist, ist völlig egal wenn er Menschenrechtsverletzungen gutheißt. Ob nun Linke und/oder Rechte Ahmadinedschad bejubeln interessiert nicht. Dass jemand Ahamdinedschad bejubelt ist bereits die Crux an der Sache. Die politischen Ansichten dieser Menschen könnte man um etliche Faktoren erweitern: Alter, Geschlecht, Vegetarier, Einkommen.
"'die wahre Linke"? Dann gibt's in Deutschland vermutlich kaum jemanden, der wirklich links ist..."

Also ich habe bei sozialistischen Parteien bzw. bei mir bekannten Sozialisten noch keinen getroffen, der eine Position bezogen hat, die Ahmadinedschad gegenüber freundlich gesinnt war. Und die Meinung der sozialistischen Basis ist mir persönlich viel wichtiger als die private Meinung von ein paar selbsternannt intellektuellen Dummschwätzern, die dann teils auch noch so tun, als könnten sie für die ganze Linke sprechen.

"Ob jemand Links, Rechts, Moslem oder Christ ist, ist völlig egal wenn er Menschenrechtsverletzungen gutheißt."

Generell richtig, nur bei den Linken ist es eben besonders ironisch, ist es doch gerade der Kern dieser Ideologie, Menschenrechtsverletzungen in keinster Weise gutzuheißen.
"Kern dieser Ideologie, Menschenrechtsverletzungen in keinster Weise gutzuheißen."
Wenn man mal die These aufstellt, dass die 68er links waren, dann kann man das nicht so ohne weiteres gutheißen: da gab's schon eine gewisse Begeisterung für Leute wie Mao, Stalin, Lenin, CheGuevara und mitunter auch Pol Pot.
Sagen wir also mal, es ist Kern dieser Ideologie, Menschenrechtsverletzungen nicht gutzuheißen, die man dem Imperialismus zuschreiben kann - das ist jedenfalls mein Eindruck.

Liest du eigentlich regelmäßig die rote Fahne Webseite? Welche Seiten surfst du so an, wenn du dich über Neuigkeiten und Meinungen im linken Politikspektrum und der linken Szene informieren willst? Bist du regelmäßiger Leser der Veröffentlichungen der iranischen TUDEH-Partei?

Sorry, aber ich halte die Marsistisch-Leninistische Partei Deutschland nicht unbedingt für die Stellvertreter eines Großteils der deutschen Linken sondern eher für eine kleine Gruppe.
"da gab's schon eine gewisse Begeisterung für Leute wie Mao, Stalin, Lenin, CheGuevara und mitunter auch Pol Pot"

Also ich persönlich bin der Meinung, dass man Stalin und gerade Mao differenzierter sehen muss, als das hier oft der Fall ist. Was nicht heisst, dass ich sie kritiklos gutheißen würde, aber die Darstellung ist mir einfach oft zu eindimensional, gerade was Mao betrifft. Che und Lenin kann man so im großen Ganzen ja nun wirklich keine Vorwürfe machen.

Sicher gab und gibt es auch im sozialistischen Lager Menschenrechtsverletzungen, das kann nicht ausbleiben, wenn man eine neue Ordnung (oft gegen brutale Regimes mit Gewalt) durchsetzen und bewahren will. Aber der Kern der kommunistischen Idee ist ja: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und (in gewissen Maßen) Wohlstand für alle. Und diese Ideale sind auch in den Menschenrechten klar erkennbar.

"Liest du eigentlich regelmäßig die rote Fahne Webseite? Welche Seiten surfst du so an, wenn du dich über Neuigkeiten und Meinungen im linken Politikspektrum und der linken Szene informieren willst? Bist du regelmäßiger Leser der Veröffentlichungen der iranischen TUDEH-Partei?"

Auf die Seite der Tudeh-Partei bin ich erst kürzlich gestossen, als ich in der UZ ein Interview mit deren Vertretern gelesen habe. Ich informiere mich in der Regel über die UZ, dich gut finde, auch wenn mir die DKP (was ich mittlerweile erkannt habe) zu revisionistisch und pro-"realsozialistisch" ist. Ansonsten die Rote Fahne und einige wenig bekannte Seiten.

"Sorry, aber ich halte die Marsistisch-Leninistische Partei Deutschland nicht unbedingt für die Stellvertreter eines Großteils der deutschen Linken sondern eher für eine kleine Gruppe."

Das ist richtig - leider, wie ich finde, denn diese Partei vertritt den Sozialismus und Kommunismus eigentlich am konsequentesten. Sie scheut sich nicht, den Sozialimperialismus und Staatskapitalismus in der UdSSR und allen ihr unterworfenen Staaten zu kritisieren und daraus ihre Lehren zu ziehen. Sieht die DKP die Schuld für den desolaten Zustand im Osten zum Beispiel beim "BRD-Imperialismus", so gibt die MLPD unumwunden zu, dass es an der Miss- und Privilegienwirtschaft der neuen Bourgeoisie in der DDR lag.
da gab's schon eine gewisse Begeisterung für Leute wie Mao, Stalin, Lenin, CheGuevara und mitunter auch Pol Pot.
Du hast Ho Chi Minh vergessen...;)
Wenn man sich diese Leute einma anschaut, Stalin jetzt mal ausgenommen, dann waren es alles Leute, die Menschen begeistern konnten. Das gilt leider für beinahe alle Diktatoren (egal ob rechts oder links), sie können Menschen begeistern.

Ich stimme aber Sid Vicious zu, Lenin und Che Guevara kann man keine allzu großen Vorwürfe machen, Stalin und Mao schon eher...

Menschenrechtsverletzungen sind nunmal Teil von Diktaturen, egal ob religiös, links, rechts, mitte.

Ich glaube, die Haltung der linken Gruppierungen stützt sich eher auf eine antiamerikanische Haltung denn auf eine pro- ahmadineschad- Haltung. Sie wollen eher die Amerikaner an allem die Schuld geben.

Auch ist im Iran der Marx-Satz "Religion ist das Opium des Volkes" perfekt umgesetzt. Hier wird der Islam zur Vernebelung des Volkes eingesetzt, indem man politische Entscheidungen als von Allah kommend da stellt. So ein Staat kann doch nur pro-marxistisch sein...

Ich bin zwar "nur" Sozialdemokrat am linken Rand der Partei, aber ich persönlich finde als Linker das Teheraner Regime als nicht legitim und verurteile solche Menschenrechtsverletzungen.
"Ich glaube, die Haltung der linken Gruppierungen stützt sich eher auf eine antiamerikanische Haltung denn auf eine pro- ahmadineschad- Haltung. Sie wollen eher die Amerikaner an allem die Schuld geben."

Es ist das Prinzip, das Mao Tsetung (allerdings in anderem Zusammenhang einst so formulierte): "Alles, was der Feind bekämpft, müssen wir unterstützen, alles, was der Feind unterstützt, müssen wir bekämpfen." Und wenn der Feind die USA sind, muss Ahmadinedschad folglich unterstützt werden ...

"Ich bin zwar "nur" Sozialdemokrat am linken Rand der Partei, aber ich persönlich finde als Linker das Teheraner Regime als nicht legitim und verurteile solche Menschenrechtsverletzungen."

Und damit bist Du viel mehr auf der wirklich linken Seite als manche "Antiimperialisten", die einfach blind iwelchen Dogmas folgen, ohne zu hinterfragen. Dabei hatte doch einst schon Lenin gesagt: "Nicht aufs Wort glauben, aufs strengste prüfen - das ist die Losung der marxistischen Arbeiter."

"Auch ist im Iran der Marx-Satz "Religion ist das Opium des Volkes" perfekt umgesetzt. Hier wird der Islam zur Vernebelung des Volkes eingesetzt, indem man politische Entscheidungen als von Allah kommend da stellt. So ein Staat kann doch nur pro-marxistisch sein..."

Dazu fällt mir wiederum Lenin ein: "Die Religion ist eine von verschiedenen Arten geistigen Joches, das überall und allenthalben auf den durch ewige Arbeit für andere, durch Not und Vereinsamung niedergedrückten Volksmassen lastet. […] Die Religion ist das Opium des Volks. Die Religion ist eine Art geistigen Fusels, in dem die Sklaven des Kapitals ihr Menschenantlitz und ihre Ansprüche auf ein halbwegs menschenwürdiges Leben ersäufen."
Lenin hat Terror auch als legitimes Mittel der Politik angesehen. Ganz so ein netter Kerl war der auch nicht.
Einen wenig romantischen Blick auf Che Guevara wirft die http://www.taz.de/index.php?id=start&;art=5721&id=koepfe-artikel&src=HL&cHash=c36acdc6f7|faz - dieser Artikel hat schon 2007, als er erschien, ein gewisses Aufsehen erregt. Aber na gut...

Also halten wir fest: wer Ahmadinedschad toll findet und sich links nennt, der ist nicht wirklich links sondern nur ein Spinner. Das war ja einfach, hätte ich nicht erwartet.
Sicher waren Lenin und Che keine Engel. Aber, um es wiederum mit Mao zu sagen: "Eine Revolution ist kein Gastmahl, kein Aufsatz schreiben, kein Bilder malen oder Deckchen sticken. [...] Die Revolution ist ein Aufstand, ein Gewaltakt, durch den eine Klasse eine andere Klasse stürzt." So hart und unmenschlich das klingen mag, aber wo gehobelt wird, da fallen eben Späne.

"Also halten wir fest: wer Ahmadinedschad toll findet und sich links nennt, der ist nicht wirklich links sondern nur ein Spinner. Das war ja einfach, hätte ich nicht erwartet."

Es gibt eigentlich keine Argumente, für Ahmadinedschad zu sein - ausser man wünscht sich die Ausrottung der Juden oder ist überzeugter Islamist. Jeder, auf den das nicht zutrifft, und der Ahmadinedschad dennoch verteidigt, der denkt einfach nicht, sonst wüsste er, wie widersinnig das ist.
@Kaept'n LeChuck
Du hast nicht zufaellig das Buch "Unter Linken" von Jan Fleischhauer gelesen, oder? Das wuerde dir gefallen!

@Sid
Achso, wenn man also eine Revolution durchfuehrt ist es nich zu vermeiden wenn ein paar Leute dadurch sterben. Nur doof wenn man sich nicht an der Macht halten kann ohne repressiv andere Meinungen zu unterdruecken.
Du weisst, das Stalin mehr Menschenleben auf dem Gewissen hat als Hitler? Und auch Hitler war Sozialist.
"Du weisst, das Stalin mehr Menschenleben auf dem Gewissen hat als Hitler?"

Richtig, aber unter komplett anderen Umständen. Stalin hatte es sich nicht zum Ziel gesetzt, ein ganzes Volk auszurotten aus ethnischen Gründen.

"Und auch Hitler war Sozialist."

So ein Blödsinn! Hitler war ein Knecht des Kapitals, weiter nichts.
Ihr vergleicht nicht wirklich Massenmörder miteinander um herauszufinden wer der bessere ist?
Nein, ich will nur die Einmaligkeit der Nazi-Verbrechen nicht angetastet wissen.
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