Jede Woche gibt es bei silicon.de einen Bericht von Achim Killer zu aktuellen Problemen.
Diesen finde ich nicht schlecht.
Ich weiß, die Textlänge wirkt auf den ersten Blick abweisend. Aber lest ruhig mal !
What a drag it is getting old
Dass man alt wird, merkt man spätestens dann, wenn man sich bei dem Satz
erwischt, der mit einem Seufzer beginnt und dann mit "früher" weitergeht.
Der ist natürlich Unsinn, dieser Satz. Früher war selbstverständlich nicht
alles besser.
Schließlich barmt ja jede Generation ab einem bestimmten Lebensalter in
dieser Richtung. Und wenn die diesbezüglichen Klagen jedesmal zutreffen
würden, dann müsste es beständig bergab gehen. Was in der Konsequenz jeden
Fortschritt verhindern würde. Und es ist evident, dass es anders ist.
Logik, gell? Ja, früher hat man so was noch auf der Schule gelernt. Damals
musste man da ja noch richtig ran. (Wahrscheinlich fast so sehr wie die
verwöhnten Rotznasen von heute.)
Trotzdem: In einem Punkt war's früher wirklich besser, in punkto Musik. Im
Ernst.
Um das Ganze am Beispiel der größten Rock-and-Roll-Band aller Zeiten
auszuführen: Wer hätte die großen existenziellen Lebenskrisen von Teens -
mindestens zwei täglich - besser in Worte kleiden können als die Rolling
Stones?
"I can get no ..." - wenn's mit dem Baggern noch nicht so recht klappen
wollte. "I'm just sitting on a fence ..." - bei der sich anschließend immer
aufdrängenden - und stets negativ beantworteten - Sinnfrage. Und zum
Schluss: "You can't always get what you want" - ein paar Jahre später,
nachdem's dann doch hingehauen hat, beim Eintritt ins Erwachsenenleben. Mick
Jagger ging damals auf die 30 zu - als dieser Song herauskam.
Die Akteure waren gefährlich und schön böse - wie eben die Rolling Stones -
oder einfach nur lieb und gut - wie Joan Baez. Irgendwas jedenfalls waren
sie immer.
Sie hatten einen schlechten oder einen guten Charakter. Auf jeden Fall aber
hatten sie einen.
Ach ja, früher ... Und heute? Heute wird selbst die Zusammenstellung der
Gruppen als TV-Event vermarktet. Formbarkeit nennen die Produzenten als
wichtigste Eigenschaft des Menschenmaterials, mit dem sie umgehen.
Die Buben müssen einen flachen Waschbrettbauch haben und intellektuell einen
ebensolchen Eindruck machen. Die Mädels wiederum dürfen nicht flach sein -
körperlich.
Sollte das mit dem Klonen und Mutieren von Menschen eines Tages wirklich mal
klappen, die Musikindustrie wäre sicherlich die erste, die die neue Technik
im großen Maßstab einsetzen würde. Aber mit dem, was gegenwärtig
State-of-the-Art ist, da tut sie sich hingegen arg schwer.
Diese Woche war ja wieder Midem, die Musikmesse in Cannes. Und da sind auch
einige herzzerreißende Texte vorgestellt worden - vom Branchenverband, der
RIAA.
Refrain: Böse, böse, böse. Das mit den Raubkopien.
Und schuld sei das schnelle Internet - und die ISPs, weil sie den Surfern
den Zugang ermöglichen. Deshalb - so die RIAA - sollten die Serviceprovider
eine Abgabe an die Plattenindustrie zahlen und diese über höhere Preise an
ihre Kunden weitergeben.
Also quasi eine Technologie-Steuer. Nur halt, dass von deren Aufkommen nicht
der Staat die Stütze zahlt, sondern die Plattenindustrie die
Managergehälter.
Wenn irgendein Bundestags-Hinterbänkler - einer, der den Zeitgeist nicht
erkannt hat - wenn so einer auf eine ähnliche Idee gekommen wäre ... der
Arme. Nicht auszudenken!
Cary Sherman, der RIAA-Präsident, hat dann noch in der BBC zu verstehen
gegeben, dass er persönlich vor den Internet-Tauschbörsen eigentlich
resigniert hat. Sein deutscher Kollege Gerd Gebhardt allerdings - "das ist
nichts anderes als Diebstahl" - hat Gegenteiliges verlauten lassen: "Das
nehmen wir nicht hin."
Ein frustrierter und ein zorniger alter Mann hadern mit der Welt und diesem
ganzen modernen Zeug. Da kommt man als älterer Mensch halt einfach nicht
mehr mit. Ach ja, früher ...
Wer damals Musik klauen wollte, der musste eine Vinylplatte mitgehen lassen.
Und die war groß und sperrig. Und deshalb haben sich auch die meisten dabei
erwischen lassen. Ja, das mit den Ladendieben, das hatte die Branche voll im
Griff - früher.
Ganz früher war Bertelsmann auch noch ein Fachverlag für religiöse
Erbauungsliteratur. Und auf diesem Markt hat das Unternehmen sich
ausgekannt. Aber die Sache mit dem Internet? BOL jedenfalls hat der Konzern
erst einmal wieder abgestoßen.
Das muss man sich mal vorstellen: Das Internet ermöglicht es einer Branche,
ihre Erzeugnisse mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zu distribuieren. Ohne
Verpackungskosten! Also den Aufwendungen für schwarze oder silberne
Scheiben.
Und was tut diese Branche? Sie jammert, weil ein paar Youngsters ihr
Taschengeld-Budget schonen wollen.
In anderen Branchen ist man da nicht so larmoyant. Kein Spediteur lässt
seine Lkws in der Halle, weil bei einer Tour das eine oder andere Paket vom
Anhänger fallen könnte (und später vielleicht besonders preisgünstig
angeboten würde). Aber die Musikindustrie kriegt das mit dem Internet nicht
auf die Reihe.
Es muss eine besonders schwere Form des Altersstarrsinns sein, der die
Branche erfasst hat. Mit Logik jedenfalls ist das Ganze nicht zu erklären.
Und was tut man, wenn die Logik versagt? Man schaut in dem Buch nach, in dem
alles steht, was höher ist denn jede Vernunft. Da findet sich ja auch
einiges zum Thema, warum alt und neu nicht zusammenpassen könnten.
Gleich drei Evangelisten - Matthäus (Kap. 19,Vers 17), Markus (2,22) und
Lukas (5,37-38) - erzählen die Geschichte vom neuen Wein in den alten
Schläuchen. Das ist ja ein Gleichnis, mit dem viele nicht zurecht kommen.
Seine Verquerung, der sprachliche Unsinn vom alten Wein in neuen Schläuchen,
listet Google denn auch gleich 3320 mal.
Und es ist ja auch nicht so einfach. Was ist im Fall des Internet der
Schlauch, die Pipe, die Tube ... Und vor allem: Was ist der Wein?
Bei dieser Musik heutzutage! Ach ja, früher ...
Ist das überhaupt Wein? - Es ist natürlich nicht.
Möglicherweise liegt's ja daran. Vielleicht bräuchte die Musikbranche erst
einmal einen, der Wasser zu Wein macht.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Achim Killer
Also ich musste schon schmunzeln bei dieser Art der Zusammenfassung.
Diesen finde ich nicht schlecht.
Ich weiß, die Textlänge wirkt auf den ersten Blick abweisend. Aber lest ruhig mal !
What a drag it is getting old
Dass man alt wird, merkt man spätestens dann, wenn man sich bei dem Satz
erwischt, der mit einem Seufzer beginnt und dann mit "früher" weitergeht.
Der ist natürlich Unsinn, dieser Satz. Früher war selbstverständlich nicht
alles besser.
Schließlich barmt ja jede Generation ab einem bestimmten Lebensalter in
dieser Richtung. Und wenn die diesbezüglichen Klagen jedesmal zutreffen
würden, dann müsste es beständig bergab gehen. Was in der Konsequenz jeden
Fortschritt verhindern würde. Und es ist evident, dass es anders ist.
Logik, gell? Ja, früher hat man so was noch auf der Schule gelernt. Damals
musste man da ja noch richtig ran. (Wahrscheinlich fast so sehr wie die
verwöhnten Rotznasen von heute.)
Trotzdem: In einem Punkt war's früher wirklich besser, in punkto Musik. Im
Ernst.
Um das Ganze am Beispiel der größten Rock-and-Roll-Band aller Zeiten
auszuführen: Wer hätte die großen existenziellen Lebenskrisen von Teens -
mindestens zwei täglich - besser in Worte kleiden können als die Rolling
Stones?
"I can get no ..." - wenn's mit dem Baggern noch nicht so recht klappen
wollte. "I'm just sitting on a fence ..." - bei der sich anschließend immer
aufdrängenden - und stets negativ beantworteten - Sinnfrage. Und zum
Schluss: "You can't always get what you want" - ein paar Jahre später,
nachdem's dann doch hingehauen hat, beim Eintritt ins Erwachsenenleben. Mick
Jagger ging damals auf die 30 zu - als dieser Song herauskam.
Die Akteure waren gefährlich und schön böse - wie eben die Rolling Stones -
oder einfach nur lieb und gut - wie Joan Baez. Irgendwas jedenfalls waren
sie immer.
Sie hatten einen schlechten oder einen guten Charakter. Auf jeden Fall aber
hatten sie einen.
Ach ja, früher ... Und heute? Heute wird selbst die Zusammenstellung der
Gruppen als TV-Event vermarktet. Formbarkeit nennen die Produzenten als
wichtigste Eigenschaft des Menschenmaterials, mit dem sie umgehen.
Die Buben müssen einen flachen Waschbrettbauch haben und intellektuell einen
ebensolchen Eindruck machen. Die Mädels wiederum dürfen nicht flach sein -
körperlich.
Sollte das mit dem Klonen und Mutieren von Menschen eines Tages wirklich mal
klappen, die Musikindustrie wäre sicherlich die erste, die die neue Technik
im großen Maßstab einsetzen würde. Aber mit dem, was gegenwärtig
State-of-the-Art ist, da tut sie sich hingegen arg schwer.
Diese Woche war ja wieder Midem, die Musikmesse in Cannes. Und da sind auch
einige herzzerreißende Texte vorgestellt worden - vom Branchenverband, der
RIAA.
Refrain: Böse, böse, böse. Das mit den Raubkopien.
Und schuld sei das schnelle Internet - und die ISPs, weil sie den Surfern
den Zugang ermöglichen. Deshalb - so die RIAA - sollten die Serviceprovider
eine Abgabe an die Plattenindustrie zahlen und diese über höhere Preise an
ihre Kunden weitergeben.
Also quasi eine Technologie-Steuer. Nur halt, dass von deren Aufkommen nicht
der Staat die Stütze zahlt, sondern die Plattenindustrie die
Managergehälter.
Wenn irgendein Bundestags-Hinterbänkler - einer, der den Zeitgeist nicht
erkannt hat - wenn so einer auf eine ähnliche Idee gekommen wäre ... der
Arme. Nicht auszudenken!
Cary Sherman, der RIAA-Präsident, hat dann noch in der BBC zu verstehen
gegeben, dass er persönlich vor den Internet-Tauschbörsen eigentlich
resigniert hat. Sein deutscher Kollege Gerd Gebhardt allerdings - "das ist
nichts anderes als Diebstahl" - hat Gegenteiliges verlauten lassen: "Das
nehmen wir nicht hin."
Ein frustrierter und ein zorniger alter Mann hadern mit der Welt und diesem
ganzen modernen Zeug. Da kommt man als älterer Mensch halt einfach nicht
mehr mit. Ach ja, früher ...
Wer damals Musik klauen wollte, der musste eine Vinylplatte mitgehen lassen.
Und die war groß und sperrig. Und deshalb haben sich auch die meisten dabei
erwischen lassen. Ja, das mit den Ladendieben, das hatte die Branche voll im
Griff - früher.
Ganz früher war Bertelsmann auch noch ein Fachverlag für religiöse
Erbauungsliteratur. Und auf diesem Markt hat das Unternehmen sich
ausgekannt. Aber die Sache mit dem Internet? BOL jedenfalls hat der Konzern
erst einmal wieder abgestoßen.
Das muss man sich mal vorstellen: Das Internet ermöglicht es einer Branche,
ihre Erzeugnisse mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zu distribuieren. Ohne
Verpackungskosten! Also den Aufwendungen für schwarze oder silberne
Scheiben.
Und was tut diese Branche? Sie jammert, weil ein paar Youngsters ihr
Taschengeld-Budget schonen wollen.
In anderen Branchen ist man da nicht so larmoyant. Kein Spediteur lässt
seine Lkws in der Halle, weil bei einer Tour das eine oder andere Paket vom
Anhänger fallen könnte (und später vielleicht besonders preisgünstig
angeboten würde). Aber die Musikindustrie kriegt das mit dem Internet nicht
auf die Reihe.
Es muss eine besonders schwere Form des Altersstarrsinns sein, der die
Branche erfasst hat. Mit Logik jedenfalls ist das Ganze nicht zu erklären.
Und was tut man, wenn die Logik versagt? Man schaut in dem Buch nach, in dem
alles steht, was höher ist denn jede Vernunft. Da findet sich ja auch
einiges zum Thema, warum alt und neu nicht zusammenpassen könnten.
Gleich drei Evangelisten - Matthäus (Kap. 19,Vers 17), Markus (2,22) und
Lukas (5,37-38) - erzählen die Geschichte vom neuen Wein in den alten
Schläuchen. Das ist ja ein Gleichnis, mit dem viele nicht zurecht kommen.
Seine Verquerung, der sprachliche Unsinn vom alten Wein in neuen Schläuchen,
listet Google denn auch gleich 3320 mal.
Und es ist ja auch nicht so einfach. Was ist im Fall des Internet der
Schlauch, die Pipe, die Tube ... Und vor allem: Was ist der Wein?
Bei dieser Musik heutzutage! Ach ja, früher ...
Ist das überhaupt Wein? - Es ist natürlich nicht.
Möglicherweise liegt's ja daran. Vielleicht bräuchte die Musikbranche erst
einmal einen, der Wasser zu Wein macht.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Achim Killer
Also ich musste schon schmunzeln bei dieser Art der Zusammenfassung.
Logge dich ein um einen Beitrag zu schreiben.